Manuela Horvath hat eine sehr starke und bewegende Rede auf der Ernst Kirchweger Gedenkdemonstration gehalten über den tödlichen Bombenanschlag von Oberwart, der der Roma-Siedlung gegolten hat, in der sie als damals 10-Jährige mit ihrer Familie gelebt hat. Manuela hat uns erlaubt, ihren Redebeitrag zu veröffentlichen. Vielen Dank liebe Manuela!
Die Burgenlandromni leitet die Romapastoral der Diözese Eisenstadt und ist Hauptverantwortliche für die jährliche Gedenkfeier in Oberwart, bei der den vier Todesopfern des Bombenanschlags von 1995 gedacht werden. Auch sonst leistet sie unermüdliche Gedenkarbeit, in erster Linie für die Erinnerung an den Holocaust bzw. Porajmos.
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Redebeitrag von Manuela Horvath auf der Ernst Kirchweger Gedenkdemonstration am 30.3.2025 in Wien
Vielen Dank für die Einladung zur heutigen Gedenkdemonstration in Gedenken an Ernst Kirchweger. Mein Name ist Manuela Horvath, ich bin Volksgruppenangehörige der Burgenlandroma und leite seit 10 Jahren das Referat der Roma Pastoral in der Diözese Eisenstadt.
In der Nacht vom 4. Februar 1995 wurde in unmittelbarer Nähe der Oberwarter Roma-Siedlung, mitten auf der Straße, ein Schild mit der Aufschrift „Roma zurück nach Indien“ platziert. Josef Simon, Peter Sarközi und die Brüder Karl und Erwin Horvath wollten dieses Schild entfernen. Dabei detonierte es und riss die 4 Männer in den Tod.
Dieser rassistisch motivierte Anschlag auf die Volksgruppe der Roma war Teil der Brief- und Rohrbombenserie, die in Österreich am 3. Dezember 1993 begann.
Zum Zeitpunkt des Attentats von Oberwart war ich selbst 10 Jahre alt. Ich lebte in der Roma Siedlung in Oberwart und verlor bei dem Attentat meine beiden Cousins Karl und Erwin.
Meine Großeltern Anna und Michael Horvath überlebten während des NS Regimes unterschiedliche Konzentrationslager. Mein Großvater erlebte das Attentat von Oberwart noch selbst mit. Für ihn war es äußerst traumatisierend, dass er selbst den Holocaust überlebte und nun mit ansehen musste, wie zwei seiner Enkelsöhne vor der eigenen Haustür Todesopfer rechter Gewalt wurden.
In der Roma-Siedlung von Oberwart lebten 1995 circa 120 Menschen. Nachdem die vier Leichen frühmorgens gefunden wurden, herrschte binnen kürzester Zeit Chaos in der Roma-Siedlung. Die Familien der Opfer und alle Siedlungsbewohner standen unter Schock, die Polizei sperrte den Tatort ab, Medienvertreter machten sich in der Siedlung bereit breit. Und, wie wir heute schon gehört haben, wurden auch alle Häuser in der Siedlung durchsucht. Einige der Polizisten der Medienvertreter waren in dieser Situation wenig sensibel im Umgang mit den Angehörigen der Opfer und den Siedlungsbewohnern.
Es dauerte 37 Stunden und 25 Minuten, bis aus den 4 ermordeten Männern Peter Sarközi, Josef Simon, Karl Horvath und Erwin Horvath offiziell Opfer eines Terroranschlages wurden.
Auf die Bedürfnisse der Hinterbliebenen der vier Todesopfer wurde zum damaligen Zeitpunkt keine Rücksicht genommen. Bei der Beerdigung war waren sie alle schutzlos dem medialen und öffentlichen Interesse ausgesetzt. Psychosoziale Unterstützung oder therapeutische Hilfe erhielten wir nicht. Mit unserer Trauer, mit unserer Angst und mit unserer Wut mussten wir damals alleine fertig werden.
Das Rohrbombenattentat von Oberwart hat das politische und öffentliche Interesse an der Volksgruppe der Roma geweckt, zum Großteil bestürzte und solidarische Reaktionen hervorgerufen. Unter anderem nahmen an der Beerdigung auch circa 10.000 Personen teil, darunter die höchsten politischen und kirchlichen Vertreter unseres Landes.
Es gab aber damals auch politische Stimmen, die den Opfern des Attentates und der Volksgruppe der Roma nicht die Rolle der Opfer zuschrieben, sondern sie stattdessen als Täter darstellten. In einem Interview mit dem Standard diffamierte der damalige FPÖ-Bundesparteiobmann Haider die Attentatsopfer und deren Familienangehörige und die Volksgruppe. 1995, 50 Jahre nach Ende des nationalsozialistischen Regimes und dem Genozid an Roma waren Roma wieder Todesopfer rassistischer Ideologie und rassistischer Gewalt geworden.
Die gesellschaftlichen Vorurteile blieben auch nach dem Zweiten Weltkrieg bestehen. Das Attentat an der Volksgruppe der Roma und die Terrorwelle, die in den 1990er Jahren Österreich erschütterte, waren Symbol für die tiefe Ausgrenzung, Diskriminierung und für den Hass, dem Volksgruppen und Minderheiten ausgesetzt waren.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, heute erinnern wir an die Opfer rechter Gewalt. Ihre Stimmen wurden zum Schweigen gebracht. Und wir müssen uns heute eingestehen, dass wir auch heute mit rechter Gewalt konfrontiert werden und dieser Ideologie entgegentreten müssen.
Für eine gerechtere und Respekt vollere Gesellschaft, in der jeder Mensch gleichwertig ist!
Dankeschön.