Historische Kontinuitäten von Gewalt gegen Minderheiten in Österreich

Redebeitrag der iag am Minderheitenstreik, 15.05.2025

Wir, die Initiative Antifaschistisches Gedenken, beschäftigen uns seit gut zwei Jahren mit dem rechtsextremen Bombenterror der 1990er Jahre. Wir versuchen diese Serie des Terrors wieder in das Bewusstsein der österreichischen Mehrheitsgesellschaft zu bringen. Die hochpolitische und dennoch entpolitisierte Gewalt und die Umstände, in denen sie entstehen konnte, wollen wir aufarbeiten. Wir befassen uns mit der Erinnerung an die Opfer und Betroffenen und mit der Frage, wie dieser Terror möglich wurde, in welchem politischen Klima er entstanden ist und welche Kontinuitäten von rechtsextremer Politik und Gewalt sich finden lassen.

Gewalt gegen Minderheiten begann nicht in den 90er-Jahren und auch nicht 1938. Sie zieht sich durch die Geschichte Österreichs wie ein roter Faden. Und sie wird konsequent übergangen, ignoriert, und vergessen.

Zwischen 1993 und 1996 wurden 25 Briefbomben versendet, zwei Sprengfallen und eine Rohrbombe gelegt. Adressiert an Minderheitenangehörige und -gruppen, an von Rassismus betroffene Menschen und ihre Verbündeten. Wir zählen am Ende der Gewaltserie vier Ermordete und mindestens 15, teils schwer verletzte Menschen. ​​​​​​​Der bekannteste Anschlag geschah in Oberwart, als in der Nacht von 4. Auf 5. Februar 1995 die vier Roma Peter Sarközi, Josef Simon, Erwin Horvath und Karl Horvath ermordet wurden. Alle vier waren Nachkommen von Holocaust-Überlebenden. Manuela Horvath, die Cousine von Erwin und Karl, erzählte erst vor ein paar Wochen in einer Rede davon, wie traumatisierend es für ihren Großvater gewesen war, dass fünf Jahrzehnte nachdem er selbst mehrere Konzentrationslager überlebt hatte, nun zwei seiner Enkel direkt vor ihrer Haustür ermordet worden waren.

Woran sich heute erinnert wird, ist ein entpolitisiertes Gewaltverbrechen durch einen angeblich geistig verwirrten Einzeltäter. Dass dieser Täter sich inhaltlich wie sprachlich völlig eindeutig auf die rechtsextreme und neonazistische Szene und Ideologie bezog, wird heute getrost übergangen, vergessen und ignoriert. Österreich erinnert sich einfach nicht.  

Wer gedenkt den Burgenlandkroat*innen, denen während des Nationalsozialismus Schritt für Schritt Sprache und Kultur verboten wurden? Ihren Lehrer*innen, denen das Konzentrationslager drohte, wenn sie auf Kroatisch unterrichteten?

Und wer erinnert an die Briefbomben an die Burgenlandkroatinnen Terezija Stoisits und Angela Resetarits, und an die Sprengfalle in Stinatz/Stinjaki, die den Arbeiter Erich Preiszler schwer verletzt hat? 

Die meisten Österreicher*innen wissen besser Bescheid über die vermeintlichen psychischen Diagnosen des verurteilten Täters, als über die Empfänger*innen der Bomben und den politischen Charakter der Gewaltserie. Die Tatsache, dass die Erinnerung an rechten Terror den Täter in den Mittelpunkt stellt, gibt ihm noch mehr Macht, noch mehr Aufmerksamkeit. Und Aufmerksamkeit für den Täter bedeutet auch Aufmerksamkeit für seine Motivationen, für seine menschenverachtende Ideologie. Die Erinnerung aber, an den Schmerz und die Angst der betroffenen Menschen, Familien, Minderheitengruppen; die wird gelebt von wenigen, in erster Linie von denen, die es direkt betrifft.

Mit einer von Solidarität geprägten Gedenkkultur war und ist in Österreich nicht zu rechnen.

Wer gedenkt den Zwangsassimilierungmaßnahmen der Nazis gegenüber der slowenischsprachigen Bevölkerung? An Verfolgung, Aussiedlungskampagnen, an Deportationen; an die Lagerinternierungen von 900 Kärntner Slowen*innen? An das Massaker vom Persmanhof 1945 durch die SS? 

Und wen interessiert es, dass vor 31 Jahren mindestens ein Rechtsextremer eine Sprengfalle vor die erste kärntner-slowenische Volkschule in Klagenfurt-Celovec gelegt hat? Wer erinnert sich an die Briefbombe die 1994 an den kärntner-slowenischen Wieser-Verlag ging oder an die an den steirisch-slowenischen Kulturverein in Bad Radkersburg?

Heute vor einer Woche haben wir 80 Jahre Befreiung vom Nationalsozialismus gefeiert. 80 Jahre Kriegsende, 80 Jahre bedingungslose Kapitulation NS-Deutschlands. Den Sieg über die Naziherrschaft verdanken wir auch dem ungebrochenen Partisan*innenwiderstand, der in Österreich vor allem in Kärnten-Koroška von Bedeutung war. Der Anteil minderheitenangehöriger Menschen im antifaschistischen Widerstand war besonders hoch.

Dass die österreichische Republik ihren scheinbar nicht besonders tiefen Dank für diesen Widerstand ausdrückt, indem sie wieder einmal Versprechen gibt, die sie nicht einhält, steht ganz in der heimischen Tradition versäumter Verantwortungsübernahme.

Wir stehen heute hier, um euren Kampf zu unterstützen. Wir sehen euch, wir sind solidarisch mit euch und wir kämpfen mit euch. Danke für eure Arbeit, danke dass ihr da seid und bleibt.


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