Redebeitrag am Antifaschistischer Budenbummel, 28.01.2025
Wir, die Initiative Antifaschistisches Gedenken, arbeiten seit bald eineinhalb Jahren zum rechtsextremen Bombenterror der 90er Jahre. Wir befassen uns mit der Erinnerung an die Opfer und Betroffenen und mit der Frage, wie dieser Terror möglich wurde, in welchem politischen Klima er entstanden ist und welche Kontinuitäten von rechtsextremer Politik und Gewalt sich finden lassen.
Was den meisten nur unter dem Stichwort des „verrückten“ Franz Fuchs bekannt ist, ist in Wirklichkeit eine politisch motivierte Serie von Brief- und Rohrbombenattentaten, die 11 Verletzte und vier Ermordete nach sich zieht.
Zwischen Dezember 1993 und Dezember 1996 wurden 25 Briefbomben versendet und 3 Rohrbomben gelegt. Der bekannteste dieser Anschläge geschah in Oberwart.
In der Nacht von 4. Auf 5. Februar 1995 werden Peter Sarközi, Josef Simon, Erwin Horvath und Karl Horvath ermordet. Alle vier waren Nachkommen von Holocaust bzw. Porajmos-Überlebenden.
Alle Bomben waren adressiert an Personen und Gruppen, die entweder selbst von Rassismus betroffen sind, die Minderheiten angehören oder sich für Geflüchtete einsetzten bzw. anderweitige Arbeit leisteten, die gegen das rechtsextreme Weltbild der Mörder und ihrer Gesinnungskameraden verstößt.
Nachdem im August 1994 die erste Rohrbombe in Klagenfurt explodiert ist, hatten Peter, Simon, Erwin und Karl eine Befürchtung, die weder von der Polizei noch von sonst jemandem außerhalb der Roma-Siedlung ernst genommen wurde. Schon im September 1994 sprachen sie von einem Gefühl, die Oberwarter Rom*nja- Siedlung, in der sie wohnten, würde beobachtet.
In der Nacht vom 4. Auf den 5. Februar 1995 patrouillieren die vier Männer die Siedlung und die nahe Umgebung. In dieser Nacht wurde eine Rohrbombe unter einem Schild mit rassistischer Aufschrift platziert. Als die Vier das Schild entfernen wollen, werden sie alle von der detonierenden Bombe getötet.
Ihr fragt euch jetzt vielleicht, wieso wir den Anschlag von Oberwart und den Bombenterror der 90er Jahre überhaupt thematisieren, hier am Budenbummel, wo es doch eigentlich um etwas ganz anderes gehen soll.
Wir wissen: Selbst wenn die These der Behörden stimmt, dass alle Bomben von einem Einzeltäter gelegt und verschickt wurden – Terror und Gewalt entstehen nie in einem Vakuum. Es ist unverzichtbar, das politische Klima der 80er und 90er Jahre mitzudenken, wenn wir über den Bombenterror sprechen.
Der Extremismusexperte Andreas Peham sagt: „Ein „Einzeltäter“ begeht die Tat im Glauben, nicht allein zu sein – bei Anders Breivik waren es „die Tempelritter“, bei Fuchs die „Bajuwarische Befreiungsarmee“. Zitat Ende. Diese Taten wären ohne ihr ideologisches Umfeld nicht vorstellbar.
Zentral waren und sind in diesem ideologischen Umfeld rechtsextreme Burschenschaften und ihre Mitglieder, allen voran der damalige Vorsitzende der FPÖ und Landeshauptmann von Kärnten, Jörg Haider.
Die rassistische, aus dem burschenschaftlichen Milieu der FPÖ stammende Zeitschrift „AULA“ spielte ebenfalls eine zentrale Rolle. In einer Ausgabe im Jahr 1994 verbreitete dort der Burschenschafter Nikolaus von Peradovich von der Grazer Germania seine kruden rassistischen Theorien. Er behauptet bei den Rom*nja handle es sich um „die Angehörigen einer wandernden (..) ethnischen Minderheit indischer Herkunft“.
Ein Jahr danach stand die Parole „Roma zurück nach Indien“ auf dem Schild der Sprengfalle in Oberwart.
Nachdem das DÖW auf Ähnlichkeiten zwischen den Bomben-Bekennerbriefen und Texten in der AULA hinwies, kam es bei der Zeitschrift zu Hausdurchsuchungen und der Beschlagnahme der Abonnent*innenkartei.
Dies veranlasste wiederum die FPÖ dazu, für die AULA in die Presche zu springen. Damaliger FPÖ-Obmann war der bereits erwähnte Jörg Haider. Haider war in der schlagenden Wiener Burschenschaft Silvania und großer Freund der AULA. Wohl um die AULA und das gesamte extrem rechte Spektrum zu verteidigen, begann die FPÖ Verschwörungserzählungen zu spinnen.
Es wurden auch Versuche unternommen, die Anschläge als linken Terror zu framen, sowohl in der Öffentlichkeit als auch gegenüber den ermittelnden Behörden und Beamt:innen. Den Ermordeten und ihren Familien wurden öffentlich illegale Aktivitäten unterstellt und im Grunde wurden sie selbst für die Morde verantwortlich gemacht. So forderte Jörg Haider in einem Interview einen Journalisten vom Standard auf über die sogenannten Hintergründe der Familien der Opfer sind zu berichten.
Es handelt sich hier ganz offensichtlich um Strategien, die Aufklärung der Morde und Attentate zu behindern.
Statt ordentlich zu ermitteln, war die Polizei jetzt mit den Folgen falscher, von der FPÖ gelegten Fährten beschäftigt. Durch diese Behinderung der Polizeiarbeit war die FPÖ rund um Burschenschafter wie Jörg Haider oder Andreas Mölzer aktiv daran beteiligt, rechten Terror nicht nur ideologisch, sondern auch ganz praktisch zu unterstützen. Währenddessen wurden weiter Briefbomben gebaut und verschickt.
Der Neonazi Günther Rehak wird in einem Sprachgutachten der Polizei mit 83 prozentiger Sicherheit als einer der Mitverfasser eines Briefbomben-Bekennerschreibens genannt.
Rehak beteiligte sich an der von der FPÖ konstruierten Verschwörungserzählung und meinte, nicht er, sondern das DÖW, habe die Bekennerschreiben formuliert. Bis heute ist Günter Rehak gern gesehener Referent bei diversen Burschen- und Mädelsschaften, etwa der Wiener Mädelsschaft Freya, der Wiener Burschenschaft Olympia, der Münchner Burschenschaft Danubia oder der Vereinigung Alter Burschenschafter in Österreich.
Dies sind nur einige Beispiele die zeigen, welche Gefahr von Burschenschaftern ausgeht. Der rechtsextreme Briefbombenterror entstand nicht im luftleeren Raum, er war nicht das Werk eines einzelnen. Vielmehr entstand er in einem rassistischen Klima, das ganz maßgeblich von der FPÖ und von Burschenschaftern geprägt war. Haider und Kameraden behinderten erfolgreich Ermittlungsarbeiten und schafften es, ihre verdrehten Tatsachen und Verschwörungserzählungen unter die Leute zu bringen und den medialen Fokus zwischenzeitlich völlig vom rechtsextremen Charakter der Anschläge wegzulenken.
Heute wollen wir diesen Redebeitrag beenden, wie er begonnen hat. In Gedenken an Peter Sarközi, Josef Simon, Erwin und Karl Horvath.
Vor 30 Jahren zogen die vier selbst los, um ihre Siedlung zu schützen, weil ihnen nicht geglaubt wurde.
Wir dürfen die Augen nicht verschließen vor den rechtsextremen Gewaltausbrüchen, die sich derzeit wieder stark häufen. Wir dürfen nicht unterschätzen, wie bestärkt und sicher sich Rechtsextreme fühlen, wenn fast 30% der Wahlberechtigten ihre Gesinnungskameraden gewählt haben. Wir müssen wachsam sein und die Gefahr ernst nehmen, die vom rassistischen Gedankengut der hier im Bezirk und in ganz Wien ansässigen Burschenschaften ausgeht. Die Burschenschaften, die jeden Mittwoch auf der Uni Rampe aufmarschieren, sind die Gesinnungs-Kameraden der Terroristen der 90er Jahre. Wir müssen Betroffenen von Rassismus und rechtem Terror zuhören, sie ernst nehmen und unterstützen.
Das Attentat von Oberwart hat gezeigt, dass der österreichische Staat nicht vor rechtem Terror schützt.
Deshalb müssen wir den Antifaschistischen Selbstschutz organisieren.
Und genauso dürfen wir weder vergeben, noch vergessen.